Logo Kanton Bern / Canton de BerneSteuern
23. April 2015
Zurück zur Übersicht
Steuerveranlagung der Ammann Group Holding AG
:

Untersuchung durch ESTV im Steuerdossier Ammann-Gruppe abgeschlossen

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) kommt in ihrer Untersuchung im Steuerdossier der Ammann Group Holding AG (AGH) zum Schluss, dass die bernische Steuerverwaltung (SV) die Sitzfrage betreffend zwei Offshore-Gesellschaften der AGH im letzten Jahrzehnt lückenhaft abgeklärt hatte. Nach Auffassung der ESTV hätten die nun durch sie geprüften Fakten und Belege eher zu einer anderen Beurteilung führen müssen. Es seien jedoch keine neuen Tatsachen erkennbar, die Gründe für eine Korrektur der Veranlagung bilden könnten. Zudem bestünden keine Hinweise, dass sich die AGH im Veranlagungsverfahren nicht korrekt verhalten hätte. Die damals getroffenen Rechtsentscheide sind damit rechtsbeständig. Der Vorsteher der bernischen Steuerverwaltung schliesst sich dieser Beurteilung an und hält fest, dass sich die schweizweite Praxis bei der steuerlichen Behandlung von Offshore-Gesellschaften seit entsprechenden Bundesgerichtsentscheiden in den Jahren 2012 und 2013 gewandelt hat. Auch wurde der interne Prozess beim Bearbeiten von komplexen Rulings seither bereits verbessert.

In den Medien und im politischen Umfeld werden seit dem Jahr 2014 Vorwürfe diskutiert, wonach die Steuerverwaltung des Kantons Bern ab dem Jahr 2004 die AGH nicht korrekt veranlagt habe. Zwei Offshore-Gesellschaften des Unternehmens seien ab dem Jahr 2004 nicht der AGH mit Sitz im Kanton Bern zugerechnet worden, obwohl diese beiden Gesellschaften keinen tatsächlichen Sitz in Luxemburg bzw. Jersey gehabt hätten. Gestützt auf die öffentlich geäusserten Vorwürfe hat der Steuerverwalter des Kantons Bern bereits im Jahr 2014 intern abklären lassen, ob hinsichtlich dieser Veranlagungen neue Tatsachen vorliegen, die eine Öffnung und Neubeurteilung der seit Jahren rechtskräftigen Veranlagungsverfügungen zulassen würden. Bereits die interne Abklärung ergab keine solchen Hinweise.

Im September 2014 ersuchte die Finanzdirektorin des Kantons Bern die ESTV als Aufsichtsbehörde des Bundes über kantonale Steuerverwaltungen, eine Untersuchung einschliesslich der steuerrechtlichen Beurteilung des Steuerdossiers AGH durchzuführen. Drei Steuerexperten der ESTV und ein Steuerexperte der bernischen Steuerverwaltung prüften und beurteilten in der Folge die Veranlagungen und die dazugehörigen Akten, die in diesem Dossier für den Zeitraum von 1976 bis 2009 vorliegen. Die vier Personen waren mit dem Steuerdossier AGH vor der Untersuchung nicht befasst und somit unbefangen. Die ESTV erstellte gestützt auf ihre Abklärungen einen Untersuchungsbericht. Dieser richtet sich gemäss der ESTV nur an die beaufsichtigte bernische Steuerverwaltung und kann der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden, da er Daten enthält, die dem Steuergeheimnis unterliegen.

Gemeinsamer Bericht der ESTV und der bernischen Steuerverwaltung

Um die Fragen der Finanzdirektorin des Kantons Bern zu beantworten, fassten der Direktor der ESTV und der bernische Steuerverwalter die wesentlichen Erkenntnisse des Untersuchungsberichts der ESTV unter Wahrung des Steuergeheimnisses in einem separaten, der Öffentlichkeit zugänglichen Bericht zusammen. Der Bericht der ESTV stellt fest, dass der bernische Steuerverwalter nicht befangen ist. Denn er hat im Steuerdossier AGH vor den im Jahr 2014 durch Medienberichte ausgelösten Untersuchungen intern in der bernischen Steuerverwaltung und anschliessend durch die ESTV keinerlei Aktivitäten ausgeübt. Das Steuerdossier AGH wurde innerhalb der bernischen Steuerverwaltung immer autonom durch die für juristische Personen zuständige Abteilung bearbeitet.

Fakten und Belege sprechen heute für eine andere Beurteilung

Die ESTV kommt in ihrem Untersuchungsbericht zum Ergebnis, dass die bernische Steuerverwaltung den Sachverhalt, der Basis war für die seinerzeitigen Veranlagungsentscheide gegenüber der AGH, nur lückenhaft erhoben hatte. Aufgrund verschiedener Indizien wäre nach Auffassung der ESTV bei einer genaueren und konsequenteren Abklärung in den damaligen Veranlagungsverfahren eine andere rechtliche Beurteilung der Sitzfrage der beiden Offshore-Gesellschaften der AGH durch die Steuerverwaltung denkbar gewesen. Die ESTV hält zusammenfassend denn auch fest, dass die vorliegenden Fakten und Belege eher zu einer anderen Beurteilung hätten führen müssen. Auf der Basis der vorliegenden Akten hätte die ESTV das Ruling 2007 nicht genehmigt. Der Vorsteher der bernischen Steuerverwaltung schliesst sich dieser Beurteilung an.

Nach der gemeinsamen Beurteilung des Direktors der ESTV und des bernischen Steuerverwalters sind die seinerzeit erlassenen, rechtskräftigen Veranlagungsverfügungen rechtsbeständig. Die ESTV hält in ihrem Bericht fest, dass keine neuen Tatsachen erkennbar sind, die Grundlage für eine nachträgliche Korrektur der Veranlagungen sein könnten. Nach Einschätzung der ESTV sind  aufgrund der Aktenlage die Voraussetzungen für eine nachträgliche Öffnung der Verfahren nicht gegeben, weshalb ein Nachsteuer- oder Steuerhinterziehungsverfahren nicht möglich ist. Damit ist die Angelegenheit nach Auffassung der ESTV und der bernischen Steuerverwaltung steuerrechtlich aufgearbeitet, und eine verfahrensrechtliche Neubeurteilung ist nicht mehr möglich.

Steuerrechtliche Abklärungen abgeschlossen, Veranlagungen sind rechtsbeständig

Die Finanzdirektion hat die Ergebnisse der Untersuchung zur Kenntnis genommen. Sie bedauert, dass die damaligen Abklärungen der zuständigen Abteilung der Steuerverwaltung nicht mit der nötigen Genauigkeit vorgenommen worden sind. Gleichzeitig nimmt sie zur Kenntnis, dass die Frage des Sitzes der beiden Offshore-Gesellschaften der AGH nach Meinung der ESTV aufgrund verschiedener Indizien anders hätte beurteilt werden können. Hinweise für absichtliche oder gar strafrechtlich relevante Verfehlungen bei der bernischen Steuerverwaltung oder bei der AGH bestehen nicht. Es bestehen auch keine Hinweise, dass sich die AGH im Veranlagungsverfahren nicht korrekt verhalten hätte. Die Veranlagungsentscheide betreffend der AGH sind rechtsbeständig. Die nötigen Verbesserungen in den Abläufen der bernischen Steuerverwaltung sind bereits umgesetzt worden, wie beispielsweise eine verstärkte Kontrolle von Rulings durch die zuständige Abteilungsleitung oder die personelle und fachliche Verstärkung von steuerverwaltungsinternen Fachgremien, in denen mit dem Ziel einer einheitlichen, koordinierten und rechtskonformen Praxis sich hier stellende Veranlagungsfragen bearbeitet werden.

Schweizweite steuerliche Behandlung von Offshore-Gesellschaften hat sich gewandelt

Zunächst gilt es zu beachten, dass es sich bei der Veranlagung der AGH um einen Routinevorgang handelte. So bearbeitet die kantonale Steuerverwaltung pro Jahr über 600‘000 Veranlagungen, darunter Tausende von Rulings. Der Vorsteher der bernischen Steuerverwaltung war in die Bearbeitung des Dossiers der AGH nie persönlich involviert und musste dies auch nicht sein. In seinem für die Finanzkommission des Grossen Rates am 9. März 2015 erstellten und öffentlich publizierten Gutachten hält Prof. Urs Behnisch im Zusammenhang mit der Entwicklung der schweizweiten steuerlichen Behandlung von Offshore-Gesellschaften in den letzten Jahren u.a. fest, dass die Praxis der kantonalen Steuerbehörden im letzten Jahrzehnt nicht einheitlich und eher grosszügig gewesen sei. Bei der Frage nach der Steuerpflicht von Finanzgesellschaften habe ein erheblicher Beurteilungsspielraum bestanden. Eine Verschärfung der schweizerischen Praxis, welche von der ESTV angestrebt wurde, sei erst nach entsprechenden Bundesgerichtsentscheiden in den Jahren 2012 und 2013 erfolgt.

Diese Entwicklung ist auch bei der heutigen Beurteilung der Veranlagung des Steuerdossiers der AGH, die in keiner Art und Weise ein Einzelfall war, zu berücksichtigen. Ebenso, dass die bernische Steuerverwaltung wie viele andere Kantone bei der Anwendung des Steuerrechts im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine Praxis verfolgte, die im Interesse der Wirtschaft lag. Prof. Behnisch hält in seinem Gutachten denn auch fest, dass selbst wenn in Einzelfällen eine gewisse Kritik an einigen wenigen von vielen Tausend  Rulings angebracht erscheinen möge, man sich bewusst sein müsse, welch grosse Bedeutung diese Praxis gerade für die internationale Standortattraktivität gehabt habe.

In der kommenden Junisession des Grossen Rates werden drei Vorstösse zu den Vorwürfen rund um die Veranlagung der Offshore-Gesellschaften der AGH behandelt werden. Damit wird es möglich, auch die politische Diskussion zu diesem Thema zu einem Abschluss zu bringen.

Mediendokumentation

Seite teilen