Im Juni 2015 wurden im Grossen Rat und anschliessend in den Medien Fragen zur Bernischen Steuerverwaltung aufgeworfen und Vorwürfe gegen sie erhoben. Kritisiert wurde namentlich eine unzulässige Nähe zwischen der Steuerverwaltung und Unternehmen, deren Steuern sie veranlagt. Die Leitung der Steuerverwaltung habe sich von einem Unternehmen zu einem Mittagessen mit anschliessendem Besuch des Neubaus einladen lassen, in dem die Steuerverwaltung mit Sitz in Burgdorf später Büroräumlichkeiten bezogen hat. Es wurden auch Vorwürfe gegen die Tatsache erhoben, dass Mitarbeitende der Steuerverwaltung bei einer beruflichen Veränderung zu Steuerberatungsfirmen wechseln und umgekehrt.
Die Finanzdirektion als politisch vorgesetzte Stelle der Steuerverwaltung hat die Vorwürfe und offenen Fragen durch den unabhängigen Experten Prof. Dr. Jürgen Brönnimann, Rechtsanwalt in Bern, abklären lassen. Zum Bericht
Externe Abklärung ergibt: Vorwürfe an die Steuerverwaltung sind unberechtigt
Die Abklärungen durch Jürgen Brönnimann haben ergeben, dass die erhobenen Vorwürfe unberechtigt sind. Die Untersuchung hat keine Hinweise auf Gesetzesverstösse oder Unregelmässigkeiten durch die Steuerverwaltung oder Mitarbeitende dieses Amtes ergeben. Die Problematik von Interessenkonflikten und die Ausstandspflicht werden in der bernischen Steuerverwaltung gemäss dem vorliegenden Expertenbericht ernst genommen. Die Grundsätze zur Wahrung der Unabhängigkeit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten werden während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses der Mitarbeitenden umgesetzt.
Der regelmässig stattfindende fachliche Austausch an Fachtagungen und in Arbeitsgruppen zwischen Exponenten der Steuerverwaltung einerseits und Steuerberatern und Steuerberatungsfirmen andererseits sowie gute und korrekte persönliche und geschäftliche Beziehungen sind nicht nur unbedenklich, sondern nach Auffassung des Untersuchungsbeauftragten im Interesse der Sache ausdrücklich zu begrüssen. Diese Kontakte dienen der Vermittlung und dem Austausch von Fachwissen, dem Kennenlernen der betrieblichen Abläufe sowie dem besseren Verständnis der jeweils anderen Sichtweise und der gegenseitigen Anliegen. Das gilt gemäss dem Bericht des Experten in gleicher Weise für den Wechsel von Personen aus der Steuerverwaltung in die Beratungsbranche und umgekehrt.
Die Stellenwechsel der von Vorwürfen betroffenen Personen, namentlich des bei der Steuerverwaltung heute als Kadermitarbeiter tätigen Daniel Dzamko-Locher, verliefen korrekt. Nach den Feststellungen des Untersuchungsbeauftragten hat Daniel Dzamko-Locher in seinen Funktionen in der Steuerverwaltung die einschlägigen Vorschriften betreffend der Ausstandspflicht und Vermeidung von Interessenkonflikten eingehalten.
Verbesserungspotential in Detailfragen
Wie die Untersuchung ergeben hat, stellen die verwaltungsinternen Abläufe bei der Steuerverwaltung hinreichend sicher, dass die gesetzlichen Bestimmungen und die internen Vorschriften eingehalten werden. Dies trifft, neben den Veranlagungsprozessen, auch auf die Wahrung der Unabhängigkeit und die Vermeidung von Interessenkonflikten sowie grundsätzlich auch auf das Verbot der Annahme von Geschenken zu. Hinsichtlich der Annahme von Geschenken und Einladungen gibt es allerdings aus Sicht des Untersuchungsbeauftragten noch Verbesserungspotential. So gilt es, die Mitarbeitenden über diesen sensiblen Bereich noch besser zu informieren.
Der Experte kommt weiter zum Schluss, dass die durch das Kader der Steuerverwaltung absolvierte Baustellenbesichtigung und das damit verbundene Mittagessen bei der Marti-Gruppe im Jahre 2010 in Burgdorf die damals gültigen rechtlichen Bestimmungen nicht verletzt hat. Für ihn war dieser konkrete Einzelfall – jedoch einzig wegen des speziellen Anlasses mit Ausnahmecharakter – noch vertretbar, auch wenn er im Nachhinein betrachtet wegen des sensiblen Bereichs, in welchem sich die Steuerverwaltung bewegt, als etwas ungeschickt bezeichnet werden müsse. Unter dem Aspekt, dass von Behördenseite selbst der Anschein einer Beeinflussung zu vermeiden ist, erscheint es für Jürgen Brönnimann als angebracht, dass die Steuerverwaltung hinsichtlich des Geschenkannahmeverbots und insbesondere betreffend Essenseinladungen generell eine äusserst restriktive Haltung einnimmt.
Finanzdirektorin plädiert für mehr Fairness im Umgang mit Kantonsangestellten
Finanzdirektorin Beatrice Simon hat mit Befriedigung festgestellt, dass sich die Steuerverwaltung und ihre Mitarbeitenden entgegen den massiven Vorwürfen korrekt verhalten und die geltenden Rechtsgrundlagen eingehalten haben. Sie erachtet die damals gegen die Steuerverwaltung erhobenen Anschuldigungen und insbesondere die öffentliche Vorverurteilung einzelner Mitarbeitender unter Namensnennung vom letzten Juni als unfair. Dieses Vorgehen hat nicht nur die Betroffenen persönlich belastet, sondern erschwert gleichzeitig auch die Bestrebungen, qualifiziertes Personal zu finden. Aus Sicht der Finanzdirektion wäre es deshalb zu begrüssen, den Sachverhalt zuerst sorgfältig abzuklären, sollten Fragen und Unklarheiten rund um das Verhalten von Amtsstellen oder einzelnen Mitarbeitenden auftreten. Sowohl die Finanzdirektion als auch die Leitung der Steuerverwaltung sind wie bis anhin gern bereit, Auskunft und Einblick in ihre Abläufe, Regelungen und Aufsichtsmechanismen zu geben.